Photo by Christine Bay
Wie kommt man dazu, im Bus zu wohnen?
Diese durchaus berechtigte Frage musste ich während meines halben Jahres in der Grünen Minna - wie mein Bulli heißt - natürlich sehr oft beantworten.
Eigentlich gab es dafür zwei Gründe: Erstens bin ich bin ich jung und brauche das Geld, und zweitens träumte ich schon seit Jahren vom Vanlife.
Doch leider hatte ich zuvor nie den Mut dazu gefunden, es wirklich durchzuziehen. Zwar sah ich mir oft und gerne Videos und Blogs von Menschen an, die bereits Vollzeit im Van leben, doch fragte ich mich, wie ich selbst das anstellen sollte. Vor allem in einem so kleinen VW Bus. Schließlich hatte ich nicht die Absicht damit durch die Welt zu fahren und gegebenenfalls zusätzlich als Digitaler Nomade zu arbeiten - zwar bestand der Wunsch natürlich, aber das war nicht der konkrete Plan. Ich wollte lediglich darin wohnen und dem gewohnten Job und Alltag zu Hause nachgehen.
2017 bezog ich eine Dachgeschosswohnung, deren Unterhalt mich - da ich ihn alleine tragen musste - eine hohe Summe kostete. Doch schon sehr bald wurde ich unzufrieden mit meiner Wohnsituation: Unter dem schlecht gedämmten Dach erhitzten sich die Räume im Sommer bis zu 36°C, was das Schlafen zur Qual und zeitweise Übernachtungen im Aufstelldach meines Bullis nötig machte. Der Altbau war sehr hellhörig und der Straßenverkehr vor dem Hause sowie die Nachbarn laut.
Die ständig anfallenden Arbeiten wie Putzen und Aufräumen raubten mir die Freizeit. Da ich gerne draußen bin, entwickelte sich die Wohnung zu einem reinen Schlafplatz, Winterquartier und einer Lagerstätte für meinen Besitz; in den warmen Monaten kam ich oft nur zum Schlafen nach Hause - wenn ich nicht ohnehin im Van übernachtete.
Ich rechnete mir aus. Etwa ein Drittel meiner Zeit verbrachte ich auf der Arbeit, ein weiteres schlief ich (und während des Schlafer braucht man nur etwa zwei anstatt 70 Quadratmeter), und das etwa letzte Drittel galt meiner Freizeit. Diese wiederum konnte ich ebenfalls noch einmal in drei Teile aufspalten: Der eine Teil war Zeit, die ich mit Freizeitaktivitäten zumeist außerhalb der Wohnung zubrachte, der zweite Teil galt Erledigungen und Arbeiten wie Putzen, Aufräumen etc., und nur etwa der letzte Teil war Freizeit, die ich zu meinem Vergnügen hatte und in der Wohnung zubrachte.
Das bedeutet: Ich verbrachte nur etwa ein Neuntel meiner gesamten Zeit zu meiner eigenen Verfügung in der Wohnung. Dagegen standen die Kosten, die etwa einen Viertel meiner Einnahmen beanspruchten. Man muss kein Mathematiker sein, um zu erkennen, dass die Gleichung nicht aufging.
Für den Entschluss im Bus zu wohen kam entscheidend hinzu, dass der schon seit langem in mir schlummernde Wunsch nach einer langen Reise zu einem schmerzlichen Verlangen wurde. Bisher versuchte ich mir diesen Wunsch durch Reisen innerhalb meines Jahresurlaubes zu erfüllen; aber jeder, dessen Leidenschaft ebenfalls das Reisen ist, wird verstehen, dass mir das nicht genügte. Aber wie sollte ich mir längere Reisen erlauben? Wie sollte ich mir sowohl das nötige Budget für eine mehrmonatige Reise zusammensparen, als auch die während eines unbezahlten Urlaubes weiterhin laufenden Kosten decken?
Nachdem ich im Jahr 2018 den Jakobsweg in Spanien gegangen war, und dort entschied, dass ich etwas in meinem Leben ändern müsse und wolle - denn ich war mit mehreren Aspekten meines Lebens wie beispielsweise den Job nicht mehr zufrieden -, entdeckte ich den Film WEIT, der meinen Traum nach einer Langzeitreise wieder entfachte, wie ein Tanklastzug Benzin, den man über einem Feuer entleert.
Ich wollte weg, WEIT weg. Ohne fixes Datum, an dem die Reise enden würde. Ich wollte eine Zeit lang ohne festen Wohnsitz leben; ohne Zeitlimit mit dem Rucksack unterwegs sein.
Aber wie sich das Budget dafür ansparen? Neben dem Beruf noch arbeiten gehen? Nein! Ich war nicht bereit meine wenige Freizeit für einen Stundenlohn von 8,50 € zu verkaufen. Außerdem würde ich dann noch weniger Zeit in der Wohnung verbringen.
Und da fügte sich nun alles zusammen!
Ich war nicht bereit auf meine Freizeit zu verzichten, um zusätzliches Geld zu verdienen. Aber ich war durchaus bereit auf ein wenig Komfort zu verzichten, den mir bisher die Wohnung bot, welche mich aber einen Großteil meines Geldes kostete. Das war die Lösung.
So beschloss ich, die Wohnung zu kündigen und in den Van zu ziehen, und schlug so mehrere Fliegen mit einer Klappe: Ich erfüllte mir den Traum vom Vanlife, sparte dadurch Geld mit dem wiederum ich mir den Traum von einem Reiseleben erfüllen konnte, und nutzte den Bus dabei endlich vollends aus - denn nach jeder Saison war ich traurig, wieder viel zu wenige Zeit im und um die Grüne Minna verbracht zu haben.
Zum Ende Februar 2019 kündigte ich die Wohnung. Den März reiste ich durch Thailand - schon da ohne große laufende Kosten zu Hause -, und Anfang April zog ich in den Bus.
Was als Experiment begann, um zu sehen, ob ich für ein Leben im Van gemacht sei, endete als eine der positivsten Erfahrungen meines Lebens Mitte November, als es zu unangenehm kalt und dunkel wurde, und ich mich für den Winter im Gästezimmer meiner unterstützend Eltern einquartierte.
Ja, so war das. Und es war geil!